Ein ursprünglicher Sachse; der Sächsische Brüster!

Dreissig Jahre sind es inzwischen bestimmt schon, daß der Sächsische Brüster in meinen Taubenschlägen Gastrecht hat, neben mehreren anderen sächsischen Farbentauben. Und wenn dann die Frage nach dem Warum kommt , dann muß ich nicht lange überlegen, weil der Brüster das Wesentliche, das eine Sächsische Farbentaube ausmacht, in hohem Maße auf sich vereinigt. Kein überflüssiger Schnick-schnack und Extras, würde man es in der Automobilbranche nennen, lenkt vom Maßgebenden ab. Als Beispiel mag ich nur die Rundhaube anführen.
Figur/Typ - Farbe - Latschen, nicht mehr, nicht weniger und trotzdem züchterische Herausforderung - jahraus, jahrein!

Geschichtliches

Der Thüringer Vetter ist sicherlich ungleich älter wie unsere Rasse, obwohl im Standard und Büchern stets lapidar zu lesen ist - alte Sächsische Farbentaube. Aber was ist schon alt? Die Tageszeitung von gestern vielleicht. Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass es jemals einen Züchter gab, der diese Brüsterzeichnung ersonnen hat. Der auf die Idee kam, eine Rasse mit dieser Zeichnung zu erzüchten. Zumindest liegt es außerhalb meines Vorstellungsvermögens, daß es mit züchterischen Mitteln gelingen könnte, diese Farbverteilung zu erzüchten. Obwohl ich keinen Beleg dafür habe, so bin ich doch überzeugt davon, daß eine Mutation diese Zeichnungsanlage uns Farbentaubenfreunden geschenkt hat. So um 1860 - 1880 fanden wohl Liebhaber belatschter Farbentauben Gefallen an dieser Farbverteilung und züchteten den glattfüssigen Thüringern "Latschen" an. Dies kann nicht allzu schwierig gewesen sein. So gesehen könnte die Rasse auch heute wieder ohne großen Aufwand über Thüringer Brüster erzüchtet werden. Übrigens sind Tauben mit gleicher oder ähnlicher Zeichnungsanlage auch in vielen anderen Ländern entstanden; d.h. wir haben keine exclusiv nur in Deutschland entstandene Mutation vor uns. Auf Ausstellungen und ins breite Züchterbewußtsein gelangte der Sächsische Brüster wohl erst um 1890/1900 und der ursprüngliche Farbenschlag waren die Braunen, was für die ganze Ursprungsgeschichte wieder typisch ist. Gelbe entstanden später und die Schwarzen folgten erheblich später, von den Blauen völlig abgesehen. Deren Erzüchtung wurde nach 1910 von vielen Fachleuten noch für unmöglich erachtet. Eine Parallele finden wir übrigens bei den Dresdener Trommeltauben.

Figur und Typ

Figur, der Typ ist nicht alles, aber ohne Figur und Typ ist Alles nichts ! Ein Grundsatz, der nicht deutlich genug herausgestellt werden kann. "Kräftige und tiefstehende Feldtaubengestalt" lesen wir im Standard und dem ist nichts hinzu zu fügen. Für starke, kräfige Figuren bin ich persönlich immer zu haben. Aber es gibt auch da eine Grenze. Mit dem "tiefstehend" ist es so eine Sache. Die Brüster stehen allgemein eher zu tief, zumindest war dies früher so. In die Jahre gekommene Tauben waren dann nicht mehr sehr beweglich und die Züchter meinten: "die haben Gicht"! In der Tat hatte der Brüster eine Eigenart: er winkelte die Beine sehr stark. An geschlachteten Tauben konnte ich eindeutig nachweisen, daß die Knochenlänge nicht von anderen, vergleichbaren Tauben abweicht. In meiner Zucht achte ich immer auf genügend hoch- und freistehende, bewegliche Tauben. Als Ausgleich dazu lege ich großen wert auf "Haltung"! Eine annähernd waagrechte Rückenlinie ist mein Ideal und dazu gehört noch eine tiefgetragene, gut entwickelte Brust. Gerade eine breite, ausgeprägte Brustpartie lässt die Taube zum "Brüster" werden. Und nur so kommt die namensgebende Zeichnung richtig zur Geltung.

Die Farbe

Beim Neuanfang nach 1945 konnte nur noch beim braunen und vorallem beim gelben Farbenschlag von einem gesicherten Bestand gesprochen werden. Schwarze waren Raritäten, Blaue wohl ausgestorben. Interessanterweise haben wir in den Jahrzehnten danach keine festgefügte Beliebheitsrangfolge der Farbenschläge erlebt. Gelbe, mal Braune und selbst Blaue lagen zeitweise in der Züchtergunst vorn. Nach meiner Ansicht haben sich die Brüster in den letzten 10 - 15 Jahren farblich ungemein verbessert.

Die Braunen sind ein Fall für sich. Rote Brüster gibt es, wie sie verehrter Leser möglicherweise wissen werden, nicht und ich bin auch nicht sicher, ob sie erzüchtbar wären. Zumindest erscheint mir dies im Augenblick nicht notwendig. Braune Brüster sind nach Ansicht von Zuchtfreund Christian Reichenbach, der die Rasse einige Zeit selbst gezüchtet hat, dominant Rote mit Zusatz (Bronce?)-faktor und damit liegt er sicher richtig. In entsprechender Fachliteratur (Vererbungskunde) fand ich dazu keine Ausführungen . Intensiv und gleichmäßig gefärbt wünschen wir die Braunen, mit feinem metallischem Glanz. Nachlassende Farbe an Kehle und Backen sind eine Knacknuss für den Züchter, ebenso wie der blaue Anflug am Auslauf der Brustzeichnung.

Farblich gesehen hat sich bei den Gelben in den letzten Jahren Großes getan. Durch die Übertragung von Schmalzkielen erreichten die Gelben neue Dimensionen. Was Zfrd. Wolters zum Goldenen-Siegerring-Wettbewerb in Ulm 1999 in die Käfige brachte, war ein wahres Feuerwerk an Brüster-Pracht und großartiger Züchterkunst. Persönlich habe ich kein Verständnis dafür, wenn in einem Ausstellungsbericht von einem Preisrichter, den ich davon abgesehen ob seines Könnens sehr schätze, diese tiefe, feine Farbe bemäkelt wird. Alle anderen gelben Sächsischen Farbentauben können nicht tief und dunkel genug gefärbt sein und ausgerechnet der überwiegend weiß gefärbte Brüster, der die Farbe betreffend, förmlich nach Kontrast schreit, soll im hellen, strohigen Farbton erhalten bleiben. Das verstehe wer will! Aber ich bin überzeugt davon, dass die schmalzkieligen Gelben ihren Weg gehen werden.

Die heutigen, prächtigen Schwarzen haben ja auch erst durch die aus meinen Altdeutschen Mohrenköpfen ausgespaltenen Schmalzkiel-Brüster eine neue Dimenssion erreicht, die F. Wolters zu so feinen Rassevertretern kultiviert hat, wie es bis dato unverstellbar schien. Die kleine Kollektion, die in Ulm stand, war so schön, dass ich sie mein Leben lang nicht vergessen werde. Lackreiche Farbe, vereint mit weitgehend sauberem Schwanzgefieder und Schwung; Herz was willst Du mehr ? Ob wir auch in Zukunft in den genannten Gefiederbezirken noch Farbrudiment tolerieren müssen? Die schwarzen Süddeutschen
Latztauben haben in den letzten Jahren fast sensationell den Sprung zum absolut rußfreien Schwingen- und Schwanzgefieder geschafft. Ob da der weiße Hinterhals eine Rolle spielt?

Ausgezeichnet entwickelt haben sich auch die Blauen. Ich erinnere mich an eine große Kollektion blauer Brüster auf der führenden Erzgebirgsschau, da war die Farbe so dunkel, dass es großer Phantasie bedurfte, den Farbton als "Blau" anzusprechen. Dafür war das weiß geforderte Gefieder so stark gesäumt, dass sich mir die Frage aufdrängte, ob die Säumung
etwa so gewünscht war. Aber dies ist Geschichte, liegt Jahrzehnte zurück und ist Beleg dafür, was steter Züchterfleiss zu bewegen vermag. Was heute beispielsweise in Zwönitz in den Käfigen steht, sind aufregend schöne Gesellen. Der Farbton kann so schon akzeptiert werden, wenngleich auf breiter Front noch Verbesserungen möglich erscheinen. Aber dies wird die Zukunft zeigen, wenn die derzeitigen Könner Albrecht, Roth und Wolters weiterhin so zähe Aufbauarbeit leisten. Mit der bislang verbliebenen und zu akzeptierenden Restsäumung werden wir vielleicht ewig leben müssen. Vor Jahren versuchte ich über blauhohlige Sächsische Flügeltauben den Farbton heller und freundlicher zu bekommen. In der zweiten Generation fielen übrigens wieder komplette, ausstellungsfähige Brüster. Eines der beiden Zuchtpaare brachte immer wieder mal ein Junges mit einzelnen reinweißen Schwung- und Schwanzfedern, bereits im Nestgefieder. Im Nachhinein hat es mich schon oft geärgert, daß ich die Zucht aus Platzmangel aufgab. Ich hätte diese Jungen sammeln und untereinander verpaaren müssen. Dann wäre zumindest meine Neugier befriedigt, ob es nicht doch möglich gewesen wäre, diese reinweißen Federn zu vermehren, bis am Ende der Kette möglicherweise blaue Brüster mit reinweißem Schwung und Schwanzgefieder gestanden wären. Ich werde es leider nie erfahren und das schmerzt. Interessant ist auch die Beobachtung, die ich in der Zucht von H. Albrecht gemacht habe, dass zwischen Farbton und Länge der Brustzeichnung ein Zusammenhang besteht. Tauben mit obtimaler, heller Farbe sind meist zu kurz in der Brustzeichnung.

Die Fußbefiederung

Traditionell gut bestückt sind unsere Brüster, was die Fußbefiederung, von uns Züchtern lapidar "Latschen" genannt, betrifft. Im Gegensatz zu anderen Rassen waren ausufernde Latschen nie zu beklagen. Andererseits war die Latschenfülle und die Fußfederqualität (breite Feder) stets ein positives Brüstermerkmal. Latschenfülle, also Überbauung, vordere Abrundung und geschlossener Übergang in die Geierfedern ist immerwährendes Zuchtziel.

Zuchtschwierigkeiten

Bekanntermaßen verlassen Brüster, aller Coleur, mit mehr oder weniger Säumung im weiß gewünschten Gefiederbezirk, das Nest. Säumungsbreite bzw. Farbschattierung haben nach meiner Beobachtung keine Aussagekraft, ob die Taube sauber, also weiß abmausern wird, oder ob Restsäumung erhalten bleibt. Auch scheint mir keine Vorhersage auf die farbliche Qualität möglich zu sein. Es ist möglich, daß sich bei Braunen und Gelben die eventuell noch vorhandene Säumung im zweiten Jahr verliert, sicher ist es aber nicht. Ich habe sogar erlebt, dass eine "saubere" Gelbe in fortgeschrittenem Alter wieder partiell gesäumt wurde.
Weiße Federn, ganze Federpartien, hauptsächlich im Nackenbereich, bieten Gelegenheit zur Auslese. Auch nicht bis zum Bauch durchgehende Brustzeichnung, oder schräger Brustschnitt sind weitere Ausfallkriterien. Nach der abgeschlossenen Mauser ist ein tiefer Blick in's dunkle Brüsterauge angezeigt. Kleine helle Flecken im Auge entwerten eine Taube völlig für die Ausstellung. Brüster sind übrigens genetisch keine Schecken, sondern einfarbige Tauben. Bei meinen vielfachen Kreuzungen kamen stets Binden zum Vorschein, die in Reinzucht unterdrückt werden.

Taube für Einsteiger und Senioren!

Unserer Sächischer Brüster ist ein echtes Juwel und doch für den Einsteiger in die Zucht Sächsischer Farbentauben ebenso geeignet, wie für den Senior. Warum? Nun, eine nicht vorhandene Rundhaube muss auch nicht geputzt (für die Ausstellung vorbereitet) werden.
Eine leichte Begradigung des Brustschnittes bzw. das Entfernen der einen oder anderen weißen Feder im farbigen Gefiederbezirk schafft der Einstieger ebenso wie der Senior mit bereits etwas unruhiger Hand.

Brüster sind Individualisten, wie die meisten ihrer Züchter. Dickköpfig und eigenwillig wird die Taube oft beschrieben, nicht zu Unrecht nach meiner Erfahrung. Vielleicht wird sie von den Pflegern auch dafür geliebt. Nicht wenige Züchter bleiben und blieben ihr ein Züchterleben lang treu. Diesbezüglich fällt mir Rudolf Schulze aus Bräunsdorf ein.
Seit ich in Sächsischen Farbentauben denke, also gut 40 Jahre, kenne ich ihn aus Ausstellungskatalogen als großen Dominator und Könner zu DDR-Zeiten. Ich habe ihn bislang leider nicht kennen gelernt. Freilich bleibt mir die Hoffnung, dass die Brüsterzucht jung und vital erhält und dass es demnächst doch noch klappen wird.
Betreut wird der Sächsische Brüster vom SV der Züchter Sächsischer Farbentauben.

Artikel aus unseren Fachzeitungen über die Rasse:

Sächsische Brüster; Geflügel-Börse Nr. 21/1930, Autor Paul Hahn
Brüstertauben; Geflügel-Börse Nr. 17/1934 , Autor Paul Hahn
Sächsische Brüster, Abenteuer der Farbentaubenzucht; Geflügel-Börse Nr. 14/1971
Autor Christian Reichenbach
Unsere Sächsischen Brüster; Deutscher Kleintier Züchter (DKZ) Nr. 1/1966
Autor Heinz Popp
Selten gezeigt und gezüchtet: Der Sächsische Brüster DKZ Nr.19/1969, Autor :rr (R.Hilger?)
Wissenswertes vom Sächsischen Brüster; DKZ Nr. 19/1980, Autor W. Zahn
Brüster sind vitale Farbentauben; Garten u. Kleintierzucht (GuK) Nr.17/1979
Autor Reiner Wolf
Brüsterzeichnung durch Mutation entstanden; GuK ? Autor Dr. D. Köhler
Der Sächsische Brüster- eine alte deutsche Farbentaube; Guk Nr. 20/1963, Autor D. Köhler
Die Sächsische Brüstertaube; Deutscher Geflügelhof,Oldenburg Nr.37/1960, Autor ?
Sächsische Brüstertauben; Thüringer Kleintier Züchter Nr 12/1955, Autor Kurt Decker

copyright by A. Münst 2002